“Bei Kidsbikes schwebt uns ein Abo vor”

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Sie planen Pharmafabriken und verkaufen hochwertige, gebrauchte Bikes: Claudio Bassin vom Bikerevier sagt, wie er und seine Partnerin Carina Graf die Begeisterung fürs Biken mit Nachhaltigkeit verbinden – und wie Kidsbikes erschwinglicher werden können.

Text: Giorgia Müller & Simon Eppenberger

Seit einiger Zeit setzen wir uns mit dem Thema Nachhaltigkeit und Biken als Familie auseinander. Deshalb werden wir dazu regelmässig Beiträge auf trailfamily.ch veröffentlichen. Den Start macht dieses Interview zum ersten Schweizer Shop, der komplett auf Occasions-Bikes setzt.

title Im eigenen Ladenlokal in Zürich ist es möglich, die Bikes zu testen, mieten und kaufen.

Seit zwei Jahren gibt es in Zürich einen Bikeshop, der ausschliesslich gebrauchte Mountain- und Gravelbikes verkauft. Im Angebot sind hochwertige Bikes in top Zustand. Wie es dazu kam und wohin das Konzept führen soll, sagt Co-Inhaber Claudio Bassin.

Ihr schreibt: „Auf der Suche nach neuen Abenteuern sind wir auf die Idee gekommen, die hinter Bikerevier steckt“ Wie müssen wir uns das vorstellen?
Carina und ich arbeiten seit 15 Jahren zusammen beim selben Arbeitgeber. Eines Tages stellten wir uns die Frage: „War’s das mit der beruflichen Erfüllung, oder hat das Arbeitsleben noch mehr für uns parat?” Schnell wurde uns klar, dass nur die berufliche Selbständigkeit auch wirklich Selbstbestimmung bedeutet und wir suchten nach einer prickelnden Idee.

Wieso gebrauchte Bikes?
Der Fokus lag von Beginn weg auf unserer gemeinsamen Begeisterung für den Bikesport. Da wir gleichzeitig aus Überzeugung die Kreislaufwirtschaft unterstützen, kombinierten wir die beiden Themen kurzerhand miteinander. So waren die Eckpfeiler des Konzepts von Bikerevier eingeschlagen. Seither rezirkulieren wir gebrauchte, hochwertige Gravel- und Mountainbikes. Und es macht mächtig Spass!

Was sind eure ursprünglichen Berufe?
Wir haben an der Fachhochschule Biotechnologie studiert und planen nun Pharmafabriken in einem Ingenieurbüro. Entsprechend war die Fahrradbranche Neuland für uns. Wir konnten uns aber schnell ein super Netzwerk aufbauen und freuen uns über alle coolen Leute die wir in der Szene bisher kennenlernen durften.

Arbeitet ihr mittlerweile voll und ganz für Bikerevier?
Nein. Wir arbeiten beide noch Teilzeit in unserem angestammten Beruf. In der übrigen Zeit haben wir das Privileg, uns dem Aufbau von Bikerevier und dem Familienleben widmen zu dürfen.

title Darstellung des Kreislaufs, der dank Bikerevier entsteht.

Was hat es mit dem Namen auf sich?
Bike steht für Gravel- und Mountainbike,
Re für „Revidieren, Reuse, Recycle“,
Vier für unsere Kernaktivitäten: Wir kaufen (1), revidieren (2), verkaufen (3) und vermieten (4) gebrauchte, hochwertige Gravel- und Mountainbikes.

Macht ihr alles selbst, vom Einkauf über die Revision bis zum Verkauf, Backoffice, Website, Bilder etc.?
Das volle Programm. Genau dieser Aspekt macht für uns die Arbeit auch so spannend und abwechslungsreich. Das einzige was wir momentan noch extern an unseren Partnershop Biroma geben, ist der Service an den Federelementen und hydraulischen Sattelstützen.


Habt ihr euch das Velo-Handwerk selber beigebracht?
Um meine handwerklichen Skills an den Bikes zu festigen, habe ich eine Quereinsteiger-Ausbildung an einer Park-Tool-School absolviert. Alles Andere, vom Fotografieren über Marketing, Soziale Medien, Buchhaltung, etc. eignen wir uns mit Unterstützung von Freund:innen selber an. Herzlichen Dank an alle Supporter:innen an dieser Stelle!

Euer Konzept ist viel aufwändiger als der Verkauf von neuen Bikes, die ausgepackt und fertig montiert werden. Ihr macht an den gebrauchten Bikes einen aufwändigen Service mit detailliertem Bericht und Bildern, die ihr einzeln online stellt. Betreibt ihr Bikerevier aus Enthusiasmus oder ist das Geschäftsmodell gewinnbringend?
Noch treibt uns der Enthusiasmus an, aber das Ziel ist natürlich, mindestens kostendeckend zu arbeiten. Auf die Forbes-Liste der Milliardär:innen schaffen wir es damit nicht. Unser Handeln fusst auf einem Businessplan, der uns sagt, wie hoch der Deckungsbeitrag eines Bikes sein muss und wie viele Bikes pro Jahr wir verkaufen oder vermieten müssen, um wirtschaftlich zu sein. Bis jetzt sind wir auf Kurs.

title Sind von der Kreiswirtschaft überzeugt: Carina Graf und Claudio Bassin.

Wie viele Fahrräder verkauft ihr jährlich – oder: Ist das Ziel für 2024?
2023 waren es 30 verkaufte Bikes bei einem Dutzend Vermietungen. 2024 sollen es 60 sein und mit 80 Bikes decken wir unsere Kosten. Zusätzlich zum Verkauf und der Vermietung kümmern wir uns weiterhin um die Bikes unserer Kund:innen als Servicedienstleistung.

Wer kauft bei euch?
Häufig sind es Einsteiger:innen, die zuerst ein Bike mieten, um herauszufinden, ob ihnen der Bikesport Spass macht. Meistens entscheiden sie sich nach der Miete zum Kauf. Weniger häufig kommen „eingefleischte“ Biker:innen zu uns, wahrscheinlich auch, weil diese Gruppe oft die allerneuesten Modelle mit der aktuellsten Technik sucht.

Kommt eure Kundschaft vor allem zu euch wegen des Preises, eurer seriösen Arbeit oder wegen der guten Sache, welche hinter eurem Projekt steckt?
Die meisten Kund:innen sind wirklich überzeugt von der Kreislaufwirtschaft und unserem Konzept. Unsere Bikes verkaufen wir, in Abhängigkeit von Alter und Zustand, mit einem Rabatt zwischen 20% bis 60% auf den Neupreis. Bei einem hochwertigen Bike kann der Kunde also schnell einmal ein paar tausend Franken sparen. Hinzu kommt, dass unsere Kund:innen bisher durchwegs zufrieden waren mit unserer Arbeit, was sich in positiven Kundenrezensionen bei Google widerspiegelt. Der Mix aus Nachhaltigkeit, fairem Preis und solider Qualität scheint zu gefallen.

title Bikerevier setzt auf hochwertige Occasionen mit Garantie.

Die meisten Bikes bezieht ihr direkt von den Schweizer Vertrieben. Wie seid ihr mit den Brands in Kontakt getreten und waren sie von vornherein von eurer Idee begeistert?
Im Moment arbeiten wir mit vier Brands zusammen, deren Bikes wir aus der vorjährigen Testflotte übernehmen dürfen. Wir haben nach Brands gesucht, die in der Schweiz verwurzelt oder weit verbreitet sind. Bei der Auswahl spielte auch die Wartungsfreundlichkeit der Bikes und natürlich das Interesse des jeweiligen Vertriebs an einer Kooperation mit. Wir freuen uns sehr, heute mit IndianSummer (Norco), ChrisSports (Rocky Mountain), Trek und Transalpes zusammenarbeiten zu dürfen. Diese Partner waren auf Anhieb begeistert von unserem Konzept und wir haben uns auch bei den Konditionen rasch gefunden.

Die Bikebranche erlebt wilde Zeiten mit hohen Preisen durch Corona und der aktuellen Korrektur nach unten. Wie erlebt ihr das?
Sagen wir es so: Die derzeitige Situation am Bikemarkt spielt uns nicht gerade in die Karten. Wie erwähnt kommen unsere Kund:innen aber nicht ausschliesslich wegen der fairen Preise zu uns, sondern aus den diversen Vorteilen unseres Konzepts. Jetzt schauen wir mal, was diese Krise noch mit uns anstellt.

Kinder wachsen rasch, ihre Bikes sind vielleicht nur eine Saison in Gebrauch. Entsprechend ist der Preis für viele ein Argument, hochwertige Kidsbikes sind eine Investition. Das 20-Zoll-Fully von Norco kostet bei euch 1920 Franken, das sind 479 Franken oder 20 Prozent weniger als der Originalpreis. Reicht diese Differenz, um Kund:innen zu gewinnen?
Bei den Kinderbikes suchen wir noch nach einer optimalen Lösung. Da können wir aktuell tatsächlich die geringsten Rabatte gewähren. Das liegt daran, dass auch ein gutes Kinderbike (wie das Norco Fluid) im Vergleich zu einem hochwertigen Bike für Erwachsene „günstig“ ist. Gleichzeitig ist es unser Anspruch, nur voll revidierte Bikes in den Verkauf zu bringen, was mit Aufwand und Kosten verbunden ist. Entsprechend ist der Spielraum bei den Rabatten eingeschränkt.

Wie könnte eine günstigere Lösung bei hochwertigen Kidsbikes aussehen?
Uns liegt viel daran, auch Kinderbikes anbieten zu können, nicht zuletzt weil sowohl Carina als auch ich bikende Kinder haben. Wir brüten deshalb nach wie vor an einem geeigneten Konzept, um auch Kinderbikes kostendeckend und attraktiv anbieten zu können. Uns schwebt zum Beispiel eine Art Mietabo vor, wie wir es bei den Kinder von den Skiern kennen.

title Hoffentlich gibts bald ein Kidsbikeabo 🙂

Im Moment bietet ihr keine E-Bike-Occasionen an, da die Revision für euch zu aufwändig sei. Versucht ihr trotzdem in Zukunft in das Geschäft reinzukommen?
Bikerevier ist noch jung. Wir mussten uns zu Beginn auf gewisse Biketypen und Brands fokussieren, um uns nicht gleich zu verzetteln. Das Hochfahren des Unternehmens an sich ist sehr intensiv. Wir waren und sind mit diesen Aufgaben mehr als gut ausgelastet. Wir möchten jedoch keineswegs ausschliessen, zu gegebener Zeit auch E-Bikes in unser Konzept aufzunehmen.

Was erwartet ihr vom Bike-Markt in den nächsten ein, zwei Jahren?
Aktuell sind die Lager voll und die Preise stehen unter Druck. Es ist sicher nicht verkehrt, wenn die derzeitige Situation auch mittelfristig zu einer gewissen Preiskorrektur führt. Rabattschlachten hingegen können kleine Händler:innen schnell in Liquiditätsengpässe bringen und sind deshalb weder zielführend noch nachhaltig. Branchenexpert:innen gehen davon aus, dass sich die Situation in den nächsten ein bis zwei Jahren entspannen dürfte.

Wo steht das Bikerevier in drei Jahren?
Dann müssen wir auf jeden Fall wirtschaftlich arbeiten. Mit unserer Lokalität in Zürich sind wir sehr zufrieden, auch wenn die Fläche begrenzt ist. 80 bis 100 Bikes pro Jahr können wir mit der vorhandenen Infrastruktur handhaben. Bei den Gravelbikes sind wir im Moment noch etwas schwach, deshalb planen wir diesen Bereich weiter auszubauen. Und bis in drei Jahren können wir bestimmt auch ein cooles Konzept für die Kinderbikes anbieten.

06.03.2024

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