Ab ins Ausland als Bike-Familie: 7 Tipps und Flops

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Grosse Ferien oder gar ein Auslandsaufenthalt, das Reisen mit Kindern und Bikes ist ganz schön (anstrengend).

Text: Simon Eppenberger, Pic: Giorgia Müller

Als wir uns entscheiden, für länger ins Ausland zu gehen, wollen wir uns und vor allem den kleinen Kindern die Hektik einer Reise mit vielen Stationen ersparen. Gleichzeitig widerstrebt es uns, ein Jahr am selben Ort zu bleiben. Also soll es ein halbes Jahr Kanada sein – mit der Option, durchaus länger zu bleiben, wenn es uns in British Columbia wie erwartet gut gefällt. 

title Bikes, Cats & Kids – evt. ein bisschen viel für eine Reise 🙂

Bald ist klar: alle kommen mit. Schliesslich steigen wir mit einem Teenager, zwei kleinen Kindern und zwei Katzen in den Flieger – und legen eine steile Lernkurve hin. Unsere Erfahrungen, reduziert auf sieben Punkte:

Wohnen

Am Anfang unserer Kanada-Pläne suchen wir nach einer Unterkunft. Die Recherche ergibt sehr schnell, dass die Preise von Vancouver bis Whistler selbst für Schweizer Verhältnisse enorm hoch sind. Wir entscheiden uns für eine Airbnb-Bleibe mit Langzeit-Rabatt.
Als wir dann im top bewerteten Haus ankommen, sind wir mehr als enttäuscht. Heruntergerissene Vorhänge, WC-Ring mit Brandlöchern und ausgedehnter Schimmel im Bad lösen umgehend einen Fluchtreiz aus. Die intensive Suche nach Alternativen zeigt uns jedoch: ein anderes möbliertes und bezahlbares Objekt für mehrere Monate zu finden ist unmöglich. Wir arrangieren uns zähneknirschend mit der Situation.

Fazit: Für Ferien und Reisen sind Online-Buchungen die offensichtliche Wahl. Wer es sich leisten kann, fährt mit einem Reisebüro die sichere Schiene. Geht es darum, längere Zeit an einem Ort zu leben, führt kaum etwas an einem vorgängigen Besuch vor Ort vorbei – ausser das Angebot an passenden und verfügbaren Objekten ist auch dann noch gross, wenn man vor Ort wechseln will.

Mobilität

title Passte für unsere Aktivitäten: Altes Auto, neues Bike-Rack.

In Kanada ist es ähnlich wie in vielen anderen Ländern auch: ausserhalb von Ballungsgebieten ist der öffentliche Verkehr kaum oder gar nicht vorhanden. Ohne Auto läuft kaum etwas, erst recht nicht mit Kindern. Die Automiete ist schnell teuer und Bike-Träger gehören bei den meisten Anbietern nicht dazu. Deshalb kaufen wir Kindersitze fürs Bike und für alles andere ein altes Auto und ein Bike-Rack. Im autoverliebten Nordamerika ist das einfach. Im Fall von British Columbia dauert es vom Kauf bis zum Losfahren mit eigener Nummer eine knappe Stunde. Allerdings dauert der Wiederverkauf des Autos einiges länger und hält uns in den Wochen vor der Rückreise auf Trab.

Fazit: Es lohnt sich, früh die Möglichkeiten der Mobilität zu recherchieren. Wenn ein Mietauto passt, lohnt sich die frühe Buchung für die besten Preise. Dann ist der Aufwand vor Ort am geringsten. Für eine längere Reise ist der Kauf meist die günstigere Variante, der Aufwand an Zeit und Nerven (Stichwort Autohändler:innen) ist jedoch deutlich höher.

Kinderbetreuung

title Die Zeit mit den Kids ist supercool – und doch wollten wir gerne ab und zu zu Zweit etwas unternehmen. Aber wie?

Mit und ohne Bike: In der Partnerschaft ist die Zeit zu zweit kostbar. Das ist beim Reisen nicht anders, jedoch nicht so leicht zu organisieren wie mit den eingespielten Strukturen zu Hause. Deshalb planen wir, bald nach der Ankunft für die tageweise Betreuung eine Nanny zu finden. Dabei erweist sich die Sprachbarriere als viel höher, als naiverweise angenommen. Spielen geht auch mit Händen und Füssen, existenzielle Fragen nach dem Verbleib des liebsten Plüschtiers hingegen müssen bei der ersten Betreuung beantwortet werden können. Ansonsten wird es weit weg vom gewohnten Umfeld kaum möglich, die Kinder für alle zufriedenstellend abzugeben. Schliesslich entscheiden wir uns nach einiger Recherche für die Pre-School. Das wiederum ist im Verhältnis zur Zeit vor Ort mit einem sehr grossen Aufwand (Suche einer passenden Pre-School, Eingewöhnungszeit der Kids, etc.) verbunden. Hingegen bietet der Mix aus Kita und Kindergarten den Kids das professionelle Umfeld, um sich positiv an die neue Sprache heranzutasten.

Fazit: Entweder ist bereits im Voraus eine Betreuung ohne Sprachbarriere organisiert. Das kann eine entsprechende Nanny oder ein Platz in einer Kindertagesstätte sein, die sich dem Thema annimmt. Oder Eltern verzichten bewusst für eine längere Phase auf die Zeit zu zweit und sind allenfalls zufrieden, wenn der Nachwuchs ein paar halbe Tage im Kids-Club eines Hotels beschäftigt ist.

Material und Logistik

Die Anzahl Koffer, welche für uns zwei Erwachsene mit Nachwuchs am Flughafen zu handhaben ist, liegt mit Ach und Krach bei sechs Stück. Deshalb verschicken wir Rucksäcke, Winterkleider, Fullface-Helme, Snowboardschuhe etc. in drei Paketen mit der Post. Das ist pro Stück etwa 50 Franken teurer als ein zusätzlicher Koffer. Was wir nicht wissen: Absender:in und Empfänger:in müssen dieselben Personen sein. Und die exakte Deklaration muss lauten: persönliche Gegenstände. Ansonsten werden für das eigene Material hohe Zollgebühren erhoben. Und das Zurücksenden haben wir nicht vorgängig abgeklärt. Es ist fast doppelt so teuer wie das Hinschicken und dauert – für uns überraschend – enorm lange.
Auf der Rückreise sind es dann “nur” noch zwei 29-Kilo-Pakete, dafür sieben Koffer und drei Bike-Boxen. 


Fazit: Die Materialschlacht beim Reisen mit Kindern und Bikes fällt ganz schön ins Gewicht. Es lohnt sich die Preise der Fluggesellschaften und Post in den jeweiligen Ländern zu recherchieren – vor allem auch für die Rückreise, denn die Schweizer Post ist nicht die teuerste. Dabei unbedingt beachten, ob das ganze Gepäck an den Flughäfen einigermassen zu handhaben ist oder es nur mit Support vor Ort geht. Kleiner Trick: Gummizüge mit Haken erleichtern das Fixieren von Handgepäck auf den voll beladenen Gepäcktrolleys.

Kaufen oder mitnehmen

title Nicht alles kann von zuhause mitgebracht werden: Wir haben uns dafür entschieden, Kinderbikes und Helme vor Ort zu kaufen.

Der passende Helm, die angenehm sitzende Bike-Hose, Wanderschuhe – überhaupt fast jedes Teil, das gut funktionieren muss: was nicht vor Ort gesucht, gefunden und gekauft werden muss, spart erstmal Zeit und Geld. Dennoch kommen wir wie erwähnt ans Limit mit der Gepäcklogistik und überlegen uns eingehend, was wir demnächst neu kaufen würden und deshalb gar nicht erst einpacken. Für uns Erwachsene sind das die verlöcherten Flat-Schuhe, bei den Kids die Helme. Kleine Bikes beabsichtigen wir, als Occasion zu kaufen. Schliesslich werden es doch neue Kids-Bikes und für uns auch noch einige Bike-Klamotten. Und daneben sammeln sich Spielsachen, Plüschtiere und diverse andere Sachen an, welche die zusätzliche Bike-Box locker füllen.

Fazit: Wer bei der Hinreise nicht ans Limit beim Gepäck geht, kommt eventuell wieder mit derselben Anzahl Gepäckstücke zurück. So oder so: Zusatzgepäck online anmelden ist meist günstiger. Bike-Kartons gibt es in Shops gratis.

Risikomanagement

title Go with the Flow – wir haben ein paar coole Trails fahren können und viele nicht. Aber immerhin blieben wir unverletzt.

Reisen mit dem Bike führen zu Destinationen und Trails, die vielleicht seit Jahren auf der persönlichen Bucket List stehen. Entsprechend hoch ist die Motivation, wenn es auf dem Bike endlich losgeht. Vielleicht sogar alleine, da die Kinder noch nicht fremdbetreut sind. Aus unangenehmer Erfahrung wissen wir: etwas Demut tut gut. Das beginnt bei der Bewertung der Schwierigkeit, die tendenziell ungenau ist. Ein blauer Trail in Kanada ist kein blauer Trail in der Schweiz.
Selbst Locals fallen vor uns mehrmals von einem blau taxierten Feature aus Holz in einen Tümpel darunter. Und Flow lässt sich nicht erzwingen. Also halten wir uns recht brav an den Plan, die Sicherheit, das Tempo und die Schwierigkeit Fahrt für Fahrt aufzubauen. Das klappt, auch wenn wir bis am Schluss mit unserem Ego im Zwist sind. Sollen wir nicht noch diesen und jenen Trail fahren, der auf Instagram so gehyped wird? Ein gequetschter Finger und einige Beinahe-Stürze widersprechen. Am Ende fahren wir nicht alles, dafür alles, das zu unserer Tagesform passt. So kommen wir ohne groben Crash über die Runden.


Fazit: Klingt wie das Basis-Seminar „Bewusster Leben” und ist entsprechend nervig, da wahr: Ehrlichkeit sich und den Fahr-Partner:innen gegenüber ist die beste Investition in nachhaltigen Flow. Denn die Komfort-Zone ist jeden Tag etwas anders. Wie geht es dem Körper, Geist und Material, welche Konditionen herrschen, wie gut passt der Trail zu den eigenen Skills? Ist alles im grünen Bereich, passts auch auf dem schwarzen Trail.

Jetlag mit Kindern

title Todmüde am Tag, hellwach in der Nacht. So gings uns allen…
title …sogar unsere Katzen litten unter dem Jetlag.

Auf die Frage, wie sie mit den Jetlags durch die viele Reiserei umgehe, sagte eine Bike-Profi: Ab auf den Trail und nicht übertreiben, den Jetlag hast du sowieso. Tönt gut, funktioniert bei kleinen Kindern jedoch gar nicht. Reisen und ein komplett unbekannter Ort sind zu aufregend, um nicht mitten in der Nacht eine Plüschtier-Party im Bett zu veranstalten und am Nachmittag unaushaltbar zu sein. Durchaus auch nach fünf Tagen, wenn die Zeitverschiebung neun Stunden beträgt. Die eigenen bereits dünnen Nerven und inexistenten Energiereserven sind da eine schwache Unterstützung. 

Fazit: Kinder reagieren auf Reisen, neue Orte und Zeitverschiebungen unterschiedlich. Wenn möglich die ersten Tage nicht mit zu viel Programm und Erwartungen überladen. Das kann helfen, die Umstellung mit weniger Krisen zu bewerkstelligen.

Was bleibt

title Bye bye North Vancouver

Blicken wir heute auf unsere Zeit in Squamish/BC zurück, freuen wir uns über die vielen Erlebnisse – und sind auch froh, früher zurück in die Alpen gereist zu sein. Wir haben einige Dinge anders eingeschätzt, etwa die Wohnsituation, welche wir trotz viel Aufwand nicht ändern konnten. Und auch wenn es möglich ist, auf Meereshöhe praktisch das ganze Jahr zu biken, macht es höchstens punktuell Spass, bei 8 Grad im Vollregen neue Trails zu fahren.

Insgesamt steht der Aufwand nicht in einem tollen Verhältnis zur Energie und den Kosten, die wir aufgewendet haben. Auf den Punkt gebracht: vieles hätten wir auch in grossen Ferien erleben können. Die Zeit auf dem Trail zu zweit war toll, aber teuer erkämpft. Genau gleich würden wir eine solche Reise also nicht angehen. Und wir können recht wenig mit Sinnsprüchen wie diesem anfangen: Erfahrungen bereichern und bringen dich weiter.

Nicht zuletzt aus diesem Grund hier fünf Dinge, die wir so schnell nicht vergessen werden. Da waren die Kolibris, Eichhörnchen, Waschbären und Schwarzbären, die unseren Garten als Lebens- und Nahrungsraum schätzten. Oder das Gefühl auf dem Bike, wenn sich “oh shit”-Stellen plötzlich flowig anfühlen. Und die Kanadier:innen, die sind so nett, da fühlten wir uns nach einer Woche willkommener als nach zwanzig Jahren in Zürich. Spektakulär sind auch die Gegensätze, die ganz eng beieinander liegen können. Weisskopfadler sahen wir nicht in der Wildnis, sondern im urbanen North Vancouver, grünes Wirtschaften und Pick-up-Trucks müssen sich offenbar nicht ausschliessen. Und Alkohol in der Öffentlichkeit ist nicht erlaubt, während Cannabiswolken permanent in der Luft hängen. Zudem liegt die eindrückliche Topografie und Natur oft so nahe, dass Zugänge zu weltbekannten Trails, Boulder-Spots und Kletterrouten direkt über den Highway, öffentliche Parks oder Quartierstrassen führen. 

Fazit: Wo auch immer ihr hinreisen oder leben wollt: es lohnt sich;).

title Spektakuläre Grössenunterschiede: In Nordamerika ist einiges anders als in Europa.:)

Hast du ähnliche Erfahrungen mit Reisen und Kindern / Bikes gemacht oder ganz andere? Wir freuen uns auf euer Feedback!

29.12.2023

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